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Es ist dem Joanneum 2013 gelungen, ein aus etwa 60 Werken bestehendes Kompendium direkt vom Künstler zu erwerben. Es handelt sich dabei nicht nur um abgeschlossene Kunstwerke im klassischen Sinn, sondern es sind auch diverse Materialien, wie Manifeste, Skizzen, Dokumentarfotos, Plakate, Prospekte und wichtige Presseausschnitte darunter. Zusammen ergibt das einen umfassenden zeitlichen Überblick von etwa Mitte der 1960er-Jahre bis heute. Richard Kriesches Werk ist Zeugnis eines umfassenden Erneuerungsprozesses innerhalb der bildenden Kunst und widerspiegelt gleichzeitig die allgemeinen und internationalen Prozesse und Dynamiken in Wissenschaft und Gesellschaft. Die Entwicklung des umfangreichen Werkes ist in seiner Vielschichtigkeit nun erstmals institutionell zusammengefasst und aufgearbeitet.

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Richard Kriesche – Teilnehmer an der 34., 42., und 46. Biennale von Venedig und der documenta VI und VIII in Kassel – hat bereits in seinen Anfängen innerhalb der konkreten Kunst („Nove Tendencije“) erkannt, dass ein Bild aus Daten besteht und dass konsequenterweise darin auch eine zentrale Expansionsmöglichkeit begründet liegt. „Visuelle Forschung“ als inhaltliche Forderung und Begrifflichkeit trägt derartige Erweiterungsgedanken in sich. Der Gedanke des Forschens im Kontext der bildenden Kunst führt hin zu einer programmierbaren, analytischen Kunst, die zwangsläufig in hochtechnologische Bereiche mündet.

Beim Video beginnend bis hin zum Computer vereinigen sich rasch nicht nur alle historischen Potenziale der maschinenunterstützten Generierung und Übertragung von Bildern, sondern es eröffnen sich damit auch Perspektiven maschinengesteuerter interaktiver Bildwelten – Virtualität und Variabilität ermöglichen die Interaktivität zwischen Bild und Publikum. Dabei spielt der „White Cube“ als Form der Auseinandersetzung eine weniger wichtige Rolle als der öffentliche Raum, der konsequenterweise auch im Medienraum zu verorten ist. Die institutionelle Ebene – Museen und Galerien – wird kritisch hinterfragt. Ein Expandieren in Richtung Rundfunkanstalten, Forschungseinrichtungen, industrieller Produktionsbetriebe oder Bildungseinrichtungen erweitert den Handlungsspielraum enorm und grundsätzlich. Sektoren des sozio-politischen und wissenschaftlich-technologischen Diskurses, die nicht a priori auf die Hermetik des Kunstfeldes orientiert sind, stehen in Kriesches Arbeit von Beginn an im Zentrum der Überlegungen. Er nimmt damit Ziele vorweg, die später unter den Schlagworten „Kunst im öffentlichen Interesse“, „Interventionskunst“, „Sozialkunst“, „New Genre Public Art“, „Partizipation“ oder „Aktivismus“ diskutiert wurden. Nicht das Resultat, sondern der Prozess steht dabei jeweils im Mittelpunkt der künstlerischen Konzeption. Der künstlerisch-kreative Prozess an sich befindet sich hier auf dem Prüfstand. Was kann dieser im Unterschied zu anderen Formen gesellschaftlich-emanzipatorischer Praxis leisten?

Das Publikum wurde bei Kriesche aus der Hierarchie befreit und zum aktiven Teil des Geschehens – und im Idealfall sogar zum aufgeklärten Kritiker, denn der Künstler sieht seine Projekte, Performances, Theorien und Interventionen als Wissensvermehrung in Bezug auf die Realitätswahrnehmung.
War es bis weit in die Moderne hinein noch die Selbsterschließung des künstlerischen Ichs oder die Untersuchung der Darstellungsmittel, was die Kunst angetrieben hat, so geht es beim Künstlertyp, dem Kriesche angehört, im Wesentlichen um Welterschließung. Ein Ziel, das die Verwandtschaft mit der Wissenschaft spürbar macht. Seit Künstler und Wissenschaftler vermehrt dieselben oder ähnliche Technologien und Methoden einsetzen, erlaubt dies auch einen Vergleich der beiden. Die Absichten mögen unterschiedlich sein, aber man bewegt sich zunehmend aufeinander zu und verfolgt gegenseitig die Arbeitsprozesse der jeweils anderen Seite.

Der „medienblock-richard-kriesche“ ist auch im institutionskritischen Kontext von Bedeutung. Das überwiegend temporär und vergänglich ausgerichtete Werk Kriesches ist physikalisch kaum fassbar. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich diese Kunst zumeist zu einem festgelegten Zeitpunkt, an unüblichen Orten, in vergänglichen Medien und Technologien ereignete. Somit ist wenig Objekthaftes vorhanden. Wesentliche Apparaturen sind heute nicht mehr funktionsfähig, oder existieren maximal noch in stillgelegter Hardware und diversen Dokumentationsformen sowie in Projektskizzen und Texten. Die Definition der Werke und die damit verbundene Strukturierung (Auflage, Bestimmung der Technik sowie das grundsätzliche äußere Erscheinungsbild) müssen für das Museum als große Herausforderung verstanden werden, die der Künstler bewusst mitträgt. Die museale Aufarbeitung bzw. die Historisierung eines künstlerischen Werks ist die Voraussetzung für ein Weiterexistieren von Kunst – für einen Zustand der Zeitlosigkeit.

Die teilweise ephemeren Konzept- und Medienwerke Richard Kriesches trafen hier auf die starre Struktur des Museums, das sich an die Ewigkeit wendet. Zeitbezogenes – vor allem in Bezug auf Materialien und Technologien – musste somit in eine heute und auch in Zukunft sichtbare Form gebracht werden. Diese sensible Maßnahme erforderte vom Künstler und vom Museum gegenseitiges Verständnis, denn es war dabei meist direkte Arbeit am Kunstwerk notwendig. Somit ermöglicht die Ausstellung auch das Sichtbarmachen eines üblicherweise verborgenen Prozesses, der aber gerade im Kunstverständnis Richard Kriesches eine große Rolle spielt.

Kriesche schreibt in einem Text zur Ausstellung „videopräsentation 1“- (Innsbruck 1972): „diese ausstellung ist die dokumentation eines arbeitsvorganges. der arbeitsvorgang ist jederzeit reproduzierbar. […] die dokumentation ist das kunstwerk.“.

Günther Holler-Schuster

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The work of Richard Kriesche in the collection of the Neue Galerie Graz at the Universalmuseum Joanneum

In 2013 the Joanneum succeeded in acquiring from the artist himself a compendium of some 60 works. The scope of the acquisition extends beyond finished artworks in the traditional sense to include various materials, sketches, documentary photos, posters, brochures and important press cuttings, too. In all, this gives us a comprehensive overview covering the period from around the mid-1960s to the present day. Richard Kriesche’s work is evidence of a comprehensive process of innovation, reflecting at the same time the general, international processes and dynamics found in science and society. For the first time the development of his comprehensive œuvre in all its complexity has been brought together and re-worked at an institutional level.

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Richard Kriesche, who took part in the 34th, 42nd and 46th Venice Biennale and the documenta VI and VIII in Kassel, already recognised in his early stages in concrete art (‘Nove Tendencije’) that a picture consists of data and that logically within that lies a key opportunity for expansion, too. ‘Visual research’ as a substantive demand and conception carries within it such thoughts of expansion. The idea of research in the context of fine arts leads to a programmable, analytical art that inevitably flows into high-tech areas. From the video to the computer, not only do the entire historical possibilities of the machine-supported generation and transmission of images come together; new angles in machine-guided interactive visual worlds also open up: virtuality and variability enable interactivity between image and public. In this the ‘white cube’ as a form of engagement plays a less important role than public space, which logically enough is located in medial space, too. The institutional level – museum and galleries – is subjected to critical scrutiny. Expansion in terms of radio stations, research facilities, industrial production sites, or educational institutions has greatly broadened the scope for action. From the very beginning, the main focus of Kriesche’s ideas is directed towards areas of socio-political and scientific-technological discourse, which theoretically are not oriented towards the hermetic-like world of art. He thus anticipates goals that are later discussed under such catchphrases as ‘art in the public interest’, ‘interventionist art’, ‘social art’, ‘new genre public art’, ‘participation’ or ‘activism’. The process, then, rather than the result, lies at the heart of each artistic conception concerned. The artistic, creative process itself is on trial here. What can this achieve when set against other forms of social, emancipatory practice?
In Kriesche’s case, the public was freed from the hierarchy and turned into an active part of events, ideally even into an enlightened critic. This is because artists regard their projects, performances, theories and interventions as a deepening of knowledge with regard to the perception of reality.

Far into modernism, art was driven by self-revelation of the artistic ‘I’ or by the investigation of the means of depiction, yet the concern of the kind of artist that Kriesche belongs to is with revealing the world. A goal that allows us to detect affinities with science. Since artists and scientists have increasingly made use of the same or similar technologies and methods, this also allows us to compare the two. The intentions may differ, but more and more the two realms converge on one another, following in each case the working processes of the other side concerned.

The ‘media block-richard-kriesche’ is also important in an institutional context. Kriesche’s work, primarily temporary and transitory in its orientation, can hardly be comprehended in a physical sense. By its very nature this art mostly takes place at a fixed time, at unusual locations, using ephemeral media and technologies. Thus little remains in terms of objects. Essential apparatuses no longer work today, or at best exist in closed-down hardware and diverse documentary forms as well as in project sketches and texts. The definition of the works and the structuring connected with it (production, ascertaining the technology as well as the basic external appearance) need to be seen as a major challenge facing the museum, one the artist consciously tackles, too. The process undertaken by a museum of preparing an artistic work, as well as placing it in a historical context is a prerequisite for the continued existence of art, for a condition that is timeless.

In this case, the partially ephemeral concept and media works come up against the rigid structure of the museum, which turns to eternity. Anything bound to a particular period – especially concerning material and technology – must therefore be turned into a form that is visible today and into the future. This sensitive step demanded mutual understanding from both artist and museum, for mostly work carried out directly on the artwork was called for. Thus the exhibition is already the revealing of a process usually concealed, which, however, plays a major role particularly in Richard Kriesche’s conception of art.

Kriesche writes in a text for the exhibition ‘video presentation 1’ in Innsbruck in 1972: ‘this exhibition documents a working process. the working process can be reproduced at any time. (…) the documentation (thereof) is the artwork’.

Günther Holler-Schuster